Deutsche Sprache und ihre Auswüchse
Das deutsche "Wort des Jahres 2024" ist "Ampel-Aus". Diese Auswahl erfolgte durch eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Die GfdS wählt seit 1977 regelmäßig Begriffe und Phrasen aus, die das politische, wirtschaftliche und soziale Geschehen eines Jahres in sprachlicher Hinsicht besonders prägen.
Das "Messerverbot" landete auf Platz 8. Die Debatte begann mit dem Anschlag in Solingen. Es gilt seitdem für Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte, Kinovorführungen und Konzerte. Es muss mit anlasslosen Kontrollen gerechnet werden. Eigentlich sollte es besser "Messertrageverbot" heißen.
Mehr als 2.000 Einsendungen für das Unwort des Jahres sind bereits am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Marburg eingegangen, darunter Wörter wie "Sondervermögen", "Nutztier" und "Biodeutsche". Bis Ende des Jahres können weitere Vorschläge eingesandt werden. 2023 gewann das Wort "Remigration".
Während "Remigration" hochpolitisch ist, hat der Langenscheidt Verlag das Jugendwort des Jahres 2024 gekürt: Mit einem knappen Vorsprung vor "Talahon" und "Schere" wurde "Aura" als diesjähriges Jugendwort auf der Frankfurter Buchmesse.
Das Wort "Aura" kommt aus dem esoterischen Sprachgebrauch. Aktuell bezieht es sich oft scherzhaft auf die Ausstrahlung einer Person. "Wir erleben erneut, wie lebendig Jugendsprache ist. Vielfältige Einflüsse, Nutzungssituationen und Deutungen regen zur Diskussion an, was wir natürlich gerne begleiten", sagt Nikolas Hoenig, Head of Marketing beim Verlag PONS Langenscheidt.
Was im Deutschen „Aura“ ist, das ist im Österreichischen „Heast“, was so viel bedeutet wie "Hörst du". Das hört sich dann auf Österreichisch so an: „Heast! Die Bim hat schon wieda Verspätung“ oder „Heast! Was rempeltst mi so oan“.
Und so muss man der „Gesellschaft für österreichisches Deutsch“ schon gratulieren für ihre Wahl, denn – das wird auch jeder Hundertjährige in Wien bestätigen – das „Heast“ ist ein guter Freund vom „Hallo“. Wort des Jahres wurde in Österreich dagegen "Renaturierung" - das Wiederherstellen von Natur. Wichtiges Wort in EU-Kreisen in Brüssel.
"Klimaschönfärberei" gelangte dagegen bei der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) auf Platz 2, gleich nach "Ampel-Aus". Weil es so oft praktiziert wird, das "Greenwashing", gelangte die deutsche Version davon in die Alltagssprache und ist da zu einem Renner geworden.
Die Wahl zum Boomer-Wort des Jahres wurde als ironische Gegenaktion zum Jugendwort des Jahres ins Leben gerufen. Sie ging vom deutschen Influencer Levi Penell aus. Auf Platz 2 wurde "papperlapapp" gewählt und auf Platz 3 landete "schnabulieren".
Jurys in den vier Sprachregionen debattierten, welche Wörter 2024 den Diskurs in der Schweiz prägten. Der Mensch und auch die Maschine haben dann ausgewählt, basierend auf 1’293’364’381 Wörtern aus 2‘373‘516 Texten.
In der Deutschschweiz wählten zehn Sprachforschende die Wörter "Unterschriften-Bschiss", divers und "Murgang" zu den besten des Jahres. Kommerzielle Unterschriftensammelnde sollen in der Schweiz im großen Stil Identitäten auf den Sammelbögen von Initiativen gefälscht haben, was "Unterschriften-Bschiss" zur Nr.1 der "Lieblingswörter" in der Schweiz gemacht hat.
Diskutiert wurde in 2024 in der Schweiz, wie divers die persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensbereiche sein sollten. Wie sollen etwa Personen amtlich eingetragen sein, die sich weder als Mann noch als Frau sehen?
"Murgang" ist ein Erdrutsch. Die Schweizer haben in 2024 davon einige erlebt. Der Klimawandel führt nicht nur zu höheren Temperaturen und vermehrten Wetterextremen, er wird auch die Schweizer Berge stärker ins Rutschen bringen, befürchten Experten.
Wörter werden in Deutschland derzeit immer mehr zu Waffen, weswegen auch Parteien schauen, was in sozialen Medien verbreitet und wo gezündelt werden kann. In diesem Streit wurden das Wort Freiheit und auch das Wort Antisemit 2024 immer wieder instrumentalisiert von verschiedenen Seiten und zu verschiedenen Zwecken.
In Deutschland, dem Land der Dichter, hat Sprache immer einen besonderen Stellenwert gehabt. Die Lieblingswörter jedes Jahres werden mit Spannung erwartet. Aber beim Gendern spaltet sich das Volk zunehmend. Trotzdem ist es wahrscheinlich gut, dass die Deutschen auch das bis ins Detail debattieren.
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