Die Debatte um Dahmer: Machen die Medien aus einem Monster eine Pop-Ikone?

Jeffrey Dahmer lebt auf Netflix
Eine der umstrittensten Serien
Worum geht es in 'Dahmer - Monster'?
Kreiert von Ryan Murphy
Verschiedene Seiten der Geschichte
Sein Vater, sein Nachbar, seine Opfer
Kritik an der Polizei, weil sie ihn sehr spät gestellt hat
Eine halbe Milliarde Aufrufe
Eine neue Dokuserie: 'Gespräche mit einem Mörder: die Jeffrey Dahmer Tapes'
Dahmer wurde Nummer 1 und 2 bei Netflix
Die Popularität von True Crime
True Crime: Information oder Unterhaltung?
Trauma und Geschäft
Keine Anteile am Gewinn für die Familien der Opfer
Dahmer: eine Ikone auf Gedeih und Verderb
Von Fanpost bis Hashtag
Halloween
Der neue Hype
Evan Peters: Ein zu guter Schauspieler?
Fähig einen Bösewicht richtig gut zu spielen
Sympathie für den Teufel?
Die Opfer werden gehört
Aber: das Trauma kommt wieder
Nicht das erste Dahmer-Drama
Überlegungen zum im System verankerten Rassismus
Anderen Kritikern reicht das nicht
Rotten Tomatoes: Experten und Zuschauer sind sich nicht einig
Experten: 52%
Zuschauer: 84%
Die Zuschauer entscheiden
Jeffrey Dahmer lebt auf Netflix

Obwohl er 1991 gefasst wurde und 1994 im Gefängnis starb, scheint der berüchtigte Serienmörder Jeffrey Dahmer lebendig denn je. Der Grund: Im September 2022 veröffentlichte Netflix eine Dramaserie über seine grausamen Taten und das Leiden seiner Opfer: 'Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer'

Eine der umstrittensten Serien

Die Serie wurde schnell zu einer der erfolgreichsten der Plattform. Gleichzeitig erntete sie aber viel Kritik und verwandelte sich zu einer der umstrittensten Produktionen von Netflix. Was ist passiert, und warum ist die Figur Dahmer im Fernsehen so problematisch?

Bild: Netflix

Worum geht es in 'Dahmer - Monster'?

'Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer' wurde am 21. September 2022 auf Netflix uraufgeführt. In der Serie spielt Evan Peters Jeffrey L. Dahmer, einen Mann, der in den 70er und 80er Jahren in der USA mindestens 17 Menschen getötet hat. Viele seiner Opfer waren Farbige und Mitglieder der LGBTQ+-Community.

Bild: Netflix

Kreiert von Ryan Murphy

Der Schöpfer der Serie ist Ryan Murphy, Produzent und Regisseur, der für erfolgreiche Serien wie 'American Horror Story', 'Ratched' und 'Glee' oder Filme wie 'Eat Pray Love' bekannt ist.

Bild: „Ratched“-Werbematerial, Netflix

Verschiedene Seiten der Geschichte

Murphy erzählt Dahmers Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Jede der zehn Episoden konzentriert sich auf die Erfahrungen einer Person mit dem Serienmörder und seinen grausamen Verbrechen. Laut Evan Peters in einem Interview mit Netflix war es die Absicht der Verantwortlichen, die Geschichte aus jeder Perspektive außer der des Mörders zu erzählen.

Bild: Netflix

Sein Vater, sein Nachbar, seine Opfer

Aus der Sicht seines Vaters, seines Nachbarn, der einen Verdacht hegte, der Menschen, die er ermordete, und der Familien der Opfer erzählt die Serie die Geschichte eines gestörten, blutrünstigen Menschen, der jahrelang  tötete und die Körper seiner Opfer in seiner Wohnung aufbewahrte, bevor er von der Polizei gefasst wurde.

Kritik an der Polizei, weil sie ihn sehr spät gestellt hat

Die Serie kritisiert das amerikanische Justizsystem, das nicht schnell genug gehandelt hat, um Dahmer an weiteren Taten zu hindern. Wie Evan Peters gegenüber Netflix erklärte und vom Time-Magazin zitiert wird, geht es in der Serie darum, "wie die Gesellschaft und unser System es mehrfach aufgrund von Rassismus, Homophobie.... nicht geschafft haben, ihn aufzuhalten. Es ist einfach eine tragische Geschichte."

Bild: das brachliegende Grundstück, auf dem sich Dahmers Wohnhaus befand

 

Eine halbe Milliarde Aufrufe

Die Dramaserie wurde ein Riesenerfolg. Schon zwei Wochen nach ihrer Premiere hatte sie eine halbe Milliarde Aufrufe, berichtet Forbes. Mit dieser Zahl steht die Serie auf einer Stufe mit 'Squid Game', 'Stranger Things' und 'Haus des Geldes' - den meistgesehenen Serien der Plattform.

Bild: Netflix

Eine neue Dokuserie: 'Gespräche mit einem Mörder: die Jeffrey Dahmer Tapes'

Am 7. Oktober steigerte Netflix den Hype noch weiter. Es veröffentlichte eine neue Dokuserie, 'Gespräche mit einem Mörder: die Jeffrey Dahmer Tapes', in deren Mittelpunkt Teile von Interviews mit dem Mörder stehen, während er im Gefängnis saß.

Bild: Werbematerial „Conversations with a Killer“, Netflix

Dahmer wurde Nummer 1 und 2 bei Netflix

Wie Forbes in den folgenden Tagen berichtete, wurde die dreiteilige Dahmer-Dokuserie schnell zur Nummer 2 auf Netflix, direkt hinter der Dahmer-Fiction-Serie, die bei den Netflix-Zuschauern die unbestrittene Nummer 1 war.

Die Popularität von True Crime

Die Familien von Dahmers Opfern haben eine Beschwerde geäußert, die oft über True Crime Serien zu hören ist. Sie sagen, wie Buzzfeed es zusammenfasst, dass Netflix von der Begeisterung für wahre Verbrechen profitiert, ein beliebtes Thema in Filmen, Serien, Büchern und Podcasts.

True Crime: Information oder Unterhaltung?

Da sie über reale Ereignisse berichten, informieren True-Crime-Produktionen die Öffentlichkeit über das Geschehen in der Welt. Gleichzeitig werden sie aber auch oft zur Unterhaltung genutzt. Die Menschen habe Spaß an spannenden Kriminalgeschichten, egal ob sie fiktiv oder real sind. Buzzfeed-Redakteurin Stephanie McNeal nennt das den "True-Crime-Industriekomplex".

Trauma und Geschäft

Die Familien der Opfer sagen, dass True-Crime-Sendungen das Trauma der Opfer wieder aufleben lassen, indem sie das Leiden ihrer Angehörigen immer wieder zeigen. Auf der anderen Seite ist True Crime ein Geschäft, mit dem viel Geld verdient wird.

Keine Anteile am Gewinn für die Familien der Opfer

Das Geld, das mit True-Crime-Produktionen verdient wird, landet selten bei den Angehörigen der Opfer, wie das Medium Time betont. Rita Isbell, eine der Geschwister der Dahmer-Opfer, erklärte gegenüber Insider, dass die Verantwortlichen von 'Dahmer - Monster' die Familie nie über die Serie informiert hätten und die Familienmitglieder auch keinen Anteil am Gewinn der Serie zu erwarten hätten.

Dahmer: eine Ikone auf Gedeih und Verderb

Was Netflix vorgeworfen wird, ist, dass Jeffrey Dahmer, der zu 15 Mal lebenslänglich verurteilt wurde und eigentlich für immer aus dem Blickfeld verschwinden sollte, jetzt wieder präsent ist. Man könnte sogar sagen, er hat sich in eine Art Figur der Popkultur verwandelt.

Von Fanpost bis Hashtag

Schon zu Lebzeiten erhielt der Serienmörder im Gefängnis Fanpost, heißt es in der Serie. Im Oktober 2022, nur wenige Wochen nach der Premiere der Dramaserie, hatte der Hashtag #Dahmer mehr als eine Milliarde Aufrufe auf TikTok, berichtete Buzzfeed. In anderen sozialen Medien gingen seine Real- und Schauspielerporträts ebenfalls viral.

Halloween

Da die neuen Netflix-Serien im September und Oktober erscheinen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Leute während der Halloween-Saison als Serienmörder und Kannibalen verkleiden werden. Laut The Independent "steht Jeffrey Dahmers Pilotenbrille bei eBay für 17,30 US-Dollar zum Verkauf.“

Bild: Netflix

Der neue Hype

Das Jeffrey Dahmer-Kostüm könnte im Jahr 2022 das werden, was das 'Squid Game'-Outfit im Jahr 2021 war: ein Hype. Aber es gibt einen großen Unterschied: Die Spieler in 'Squid Game' sind fiktiv, während Dahmer und seine Opfer echt sind.
Mehrere Medien, darunter The Independent, Yahoo und The Daily Star, haben ihre Leser davor gewarnt, sich zu Halloween als Dahmer zu verkleiden.

Evan Peters: Ein zu guter Schauspieler?

'Dahmer - Monster' hat Evan Peters als Hollywood-Talent bekannt gemacht. Laut Forbes sagen die Zuschauer, dass seine Interpretation von Dahmer dem wahren Mörder in den Netflix-Dokumentationen sehr ähnlich ist. "Fans haben bereits einen Vergleich zwischen Evan Peters' Emmy-nominierter Performance und dem echten Dahmer angestellt."

Bild: Netflix

Fähig einen Bösewicht richtig gut zu spielen

Peters spielte eine interessante Rolle in einem der größten TV-Hits des Jahres 2021: 'Mare of Easttown'. Schon davor hatte er mit Ryan Murphy zusammengearbeitet und andere böse Charaktere wie einen Amokläufer an einer Schule und einen Sektenführer dargestellt, berichtet Buzzfeed.

Bild: American Horror Story

Sympathie für den Teufel?

Je besser er den Bösen spielt, desto mehr fühlen wir uns in die Figur hinein, behauptet Buzzfeed. "Wenn ein begnadeter Schauspieler diese Rolle glaubwürdig verkörpert und soziale Unbeholfenheit gut darstellt, beginnt das Publikum, Empathie zu entwickeln.“ Wir können dies in den sozialen Medien in den Posts über Jeffrey Dahmer sehen, argumentieren sowohl Buzzfeed als auch Forbes.

Bild: Netflix

Die Opfer werden gehört

Rita Isbell, die Schwester von Errol Lindsey, den Dahmer 1991 tötete, wurde in der Serie porträtiert, als sie vor Gericht mit dem Mörder sprach. Anfangs sagte sie, dass sie sich geehrt fühle, in der Serie zu Wort gekommen zu sein. "Ich bin dankbar, dass die Opfer nicht im Hintergrund standen, sondern dass ihre Menschlichkeit und ihre Perspektiven in dieser Serie widergespiegelt wurden", twitterte sie.

Aber: das Trauma kommt wieder

In Insider schrieb sie jedoch auch, dass es sich beim Anschauen eines Teils der Serie "anfühlte, als würde man alles noch einmal erleben". Und ein anderes Familienmitglied (@ericthulhu) schrieb auf Twitter: "Wenn Sie tatsächlich neugierig auf die Opfer sind, meine Familie (die Isbells) sind empört über diese Serie. Es ist immer wieder traumatisierend, und für was? Wie viele Filme / Serien / Dokumentationen brauchen wir noch?"

Im Bild: die während des Dahmer-Prozesses 1992 ausgestellte Opferliste

Nicht das erste Dahmer-Drama

Es hat tatsächlich schon einige Produktionen über die Lebensgeschichte von Jeffrey Dahmer gegeben. Im Jahr 2017 spielte Ross Lynch den Serienmörder in 'Mein Freund Dahmer' (Bild), und 2002 war Jeremy Renner der Protagonist in dem Film 'Dahmer'.

Überlegungen zum im System verankerten Rassismus

Eine positive Sache an dieser neuen Serie ist, laut einigen Kritikern, dass sie die Aufmerksamkeit auf etwas lenkt, über das man vor fünf oder zehn Jahren noch nicht so viel gesprochen hat: im System verankerter Rassismus. Dank sozialer Bewegungen wie Black Lives Matter wurde in der Serie 2022 dem Rassismus, der dazu führte, dass ein weißer Krimineller in einer schwarzen Nachbarschaft von der Polizei kaum beachtet wurde, mehr Aufmerksamkeit geschenkt als in früheren Produktionen.

Anderen Kritikern reicht das nicht

Trotz der noblen Absichten von Ryan Murphy und Netflix argumentieren Kritiker weiterhin, dass die Serie 'Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer' einem Mörder zu viel unnötige Aufmerksamkeit schenkt, bis hin zur "Verherrlichung“. Das ist zumindest das Wort, das Kritiker von 'Rotten Tomatoes' verwenden.

Rotten Tomatoes: Experten und Zuschauer sind sich nicht einig

Rotten Tomatoes, die Website, auf der sowohl Kritiker als auch Zuschauer neue Filme und Serien bewerten können, zeigt die Paradoxie der Dahmer-Kontroverse sehr deutlich. Kritiker und das breite Publikum scheinen sich über die Serie absolut nicht einig zu sein.

Bild: Netflix

Experten: 52%

Kritiker geben der Serie eine Bewertung von 52% und sagen: "Während 'Monster' sich der Gefahr der Verherrlichung von Jeffrey Dahmer bewusst zu sein scheint, kippt der anzügliche Stil von Schöpfer Ryan Murphy diese Horrorgeschichte dennoch in den Bereich der unangenehmen Ausbeutung."

Bild: Netflix

Zuschauer: 84%

Auf der anderen Seite liegt die Zuschauerbewertung, die mit einer Schachtel Popcorn, stellvertretend für Unterhaltung, illustriert ist, bei respektablen 84%. Den durchschnittlichen Zuschauern gefällt die Serie, und es ist unwahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit in der Netflix-Rangliste zurückfällt.

Bild: Netflix

Die Zuschauer entscheiden

"Was passiert, ist das Gegenteil von dem, was Kritiker der Dahmer-Serie erhofft hatten“, sagt Paul Tossi von Forbes. "Trotz all der angeblichen Empörung spiegelt das Verhalten der Öffentlichkeit das nicht wider, und die Leute wollen diese Serien einfach … wirklich sehen.“

Bild: Netflix

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