Dieter Wedel gestorben: Die Skandale und Erfolge eines Star-Regisseurs
Am Mittwoch, den 20. Juli 2022, teilte das Landgericht München I mit, dass der deutsche Filmemacher Dieter Wedel bereits am 13. Juli im Alter von 82 Jahren verstorben ist.
Einige fragten sich, warum diese Mitteilung nicht eher und von Dieter Wedels engsten Umfeld veröffentlicht wurde. Möglicherweise war das Strafverfahren wegen Missbrauchs gegen den bekannten Regisseur der Grund, diese Information zunächst zurückzuhalten.
In den letzten Jahren häuften sich die Anschuldigungen bezüglich Gewalt gegen Frauen, Nötigung und Körperverletzung, die schließlich im März 2022 zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Vergewaltigung führten.
(Bild: Dieter Wedel beim Münchner Filmfest 2012)
Im Zuge eines anhängigen Verfahrens am Landgericht München I wurde nun laut 'Tagesschau' der Tod des gebürtigen Frankfurters bekannt gegeben. Nur wenige Stunden später wurde bekannt, dass das offene Verfahren gegen den Regisseur nun eingestellt wird.
Die Vorwürfe gegen Wedel waren Anfang 2018 bekannt geworden. Damals beschuldigten ihn zunächst drei Schauspielerinnen, sie in den 90er Jahren genötigt und ihren Status als junge, unerfahrene Künstlerinnen ausgenutzt zu haben.
(Bild: Wedel mit Schauspielerin Anja Kling 1999 auf Mallorca)
Christoph Amend, Chefredakteur des 'Zeit Magazins', das den Skandal aufdeckte, erklärte im Magazin 'journalist' das Vorgehen seiner Redaktion im Fall Wedel. Sie hätten zunächst "in alle Richtungen recherchiert, um herauszufinden, wie glaubwürdig die Anschuldigungen der ersten Zeugin sind." Die Journalisten hatten rund 160 Personen interviewt und ein Vorgehensmuster bei den Nötigungen durch den Filmemacher erkannt, 25 Fälle dokumentiert und insgesamt sieben Fälle veröffentlicht.
Der Fall Dieter Wedel wurde der bekannteste der deutschen #MeToo-Bewegung, die 2017 ins Rollen gekommen war. Die betroffenen Frauen erschienen einem Großteil der Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig, denn sie schilderten die Brutalität Wedels sehr detailliert.
Der Beschuldigte gab eine eidesstattliche Erklärung zu den Vorwürfen ab und versicherte über seinen damaligen Rechtsanwalt Michael Philippi, dass die Anschuldigungen "unzutreffend" seien. Er habe "zu keinem Zeitpunkt diesen oder anderen Frauen in irgendeiner Form Gewalt angetan".
Die 8. Juli 1969 in Berlin geborene Schauspielerin wurde unter anderem mit 'Nicht von schlechten Eltern', 'Verbotene Liebe' und 'Polizeiruf 110 – Totenstille' bekannt. Heute lebt sie abwechselnd in Deutschland und Thailand.
(Bild: Szene aus 'Nicht von schlechten Eltern' 1993)
Die meisten Übergriffe waren zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bereits verjährt, wodurch der Fall von Jany Tempel in den Mittelpunkt rückte. Die damals 27-jährige Nachwuchsschauspielerin gab an, Wedel habe sie 1996 im Rahmen eines Vorsprechens in einem Münchner Hotel zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
(Bild: Dieter Wedel mit Mario Adorf bei den Dreharbeiten zu 'Der große Bellheim')
Im Februar 2019 postete Tempel auf Instagram den Hashtag #deutschlandverschlaeftmetoo, dem sich viele Betroffene anschlossen. Im April 2020 gründete sie mit weiteren Prominenten den Verein MetooGermany. Im September 2020 startete sie eine Crowdfunding-Kampagne, um die hohen Anwaltskosten im Rahmen eines Prozesses decken zu können. Unter den Unterstützern sollen auch berühmte Persönlichkeiten gewesen sein.
Im März 2022 veröffentlichte die Schauspielerin ein Statement auf ihrer Webseite: "Ich habe im Zuge der #Metoo-Bewegung 2017 die Demütigung auf mich genommen und den Journalistinnen des ZEITmagazins meine Vergewaltigungsgeschichte erzählt und andere Betroffene und Zeug*innen vermittelt."
Nach der Bekanntgabe von Wedels Tod und der Einstellung des Verfahrens äußerte Tempel in ihren Sozialen Medien, sie sei "völlig perplex".
Ende Juni 2022 hatte Jany Tempel aus Protest gegen die bayerische Justiz einen Hungerstreik in einem Katzenkäfig begonnen. Damit wollte sie bewirken, dass das Landgericht München I ihre Klage gegen Wedel zulässt. Nach knapp 2 Wochen musste die Schauspielerin aus gesundheitlichen Gründen ihre Aktion erfolglos abbrechen und reichte Strafanzeige wegen Verfahrensverschleppung ein.
(Bild: www.janytempel.com)
Dieter Wedel hatte offensichtlich zwei Gesichter. Auch wenn es nicht leicht fällt, wollen wir dennoch einen kurzen Blick auf sein Leben und seine Werke werfen, die ihn zu einem deutschen Star-Regisseur gemacht haben.
Dieter Wedel wurde 1939 in Frankfurt am Main geboren, doch lange sorgte sein Geburtsdatum für Spekulationen. Gegenüber der 'dpa' gestand er, dass er sich zu Beginn seiner Karriere 3 Jahre älter gemacht hatte, um einen Auftrag zu bekommen.
Aus einem seinem Dissertationsantrag bei der Philosophischen Fakultät der Freien Universität Berlin beigefügten Lebenslauf geht jedoch hervor, dass er am 12. November 1939 geboren wurde.
Wedels Vater war Ingenieur und Besitzer einer Lederwarenfabrik, seine Mutter Pianistin. Der Regisseur selbst bezeichnete sich selbst als geliebtes, verwöhntes Einzelkind. Als Dieter 14 Jahre alt war, starb sein Vater in seinem Beisein unerwartet. In einigen seiner Filme (unter anderem 'Kampf der Tiger') versuchte er diesen Verlust zu verarbeiten.
Wedel arbeitete 1966 zunächst bei 'Radio Bremen' als Autor und Hörspielregisseur. Ein Jahr später wechselte er zum 'NDR Hamburg' und war dort Assistent in der Redaktion und später Hausdirektor. 1978 machte sich Dieter Wedel selbstständig und produzierte eine Reihe von sozial orientierten Fernsehstücken.
Wedel feiert seinen ersten großen Erfolg mit 'Einmal im Leben. Geschichte eines Eigenheims.' (1972) und erzählte in der ARD die Probleme der Familie Semmerling beim Hausbau. Nicht nur Häuslebauer konnten sich mit der Familie identifizieren und die Serie wurde zum Straßenfeger. Die späteren Neuauflagen 'Alle Jahre wieder – Die Familie Semmeling' und 'Die Affäre Semmeling' konnten nicht an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen.
(Bild: Wedel mit einem Teil der Protagonisten der Semmerling-Reihe 2000)
Für den mehrteiligen Fernsehfilm 'Der große Belheim' (1992/1993) wurde Dieter Wedel mit dem Bayerischen Fernsehpreis und der Goldenen Kamera ausgezeichnet.
Darin geht es um den drohenden Konkurs eines Familienunternehmens. Der ehemalige, bereits pensionierte Kaufhausleiter versucht, zusammen mit alten Freunden, den Betrieb zu retten.
(Bild: Wedel bei den Dreharbeiten zum Film)
Der Fernsehthriller 'Der Schattenmann' (1996) handelt von Hauptkommissar Charly Held, dessen Kollege Otto Tötter bei einer verdeckten Operation von der italienischen Mafia getötet wird. Nun will Held (Stefan Kurt) Rache und versucht, den Kriminellen aus der Spitze der Gesellschaft näher zu kommen und ändert dafür sogar seine Identität. Für diese Serie bekam Wedel unter anderem den Adolf-Grimme-Preis und den Goldenen Löwen für das beste Drehbuch.
Wedel hatte auch eine Schwäche für das Theater, was bereits seine Doktorarbeit über 'Das Frankfurter Schauspielhaus in den Jahren 1912 bis 1929' zeigte. Er war von 2003 bis 2014 Intendant bei den Wormser Nibelungen-Festspiele und führte bei vielen Stücken auch selbst Regie. Auch bei Talkshows und Medienveranstaltungen war er ein oft gesehener Gast.
Dieter Wedels Privatleben fernab der Kameras war sehr turbulent. Er hatte sechs Kinder von sechs verschiedenen Frauen. Wedel lernte die Filmproduzentin Uschi Wolters mit 26 Jahren kennen und lebte bis zuletzt mit ihr zusammen. Darüber hinaus hatte er mehrere Beziehungen, unter anderem mit Hannelore Elsner (ein Sohn) und Ingrid Steeger. Auf dem Bild ist er mit seinen Söhnen Benjamin (link) and Dominik (rechts) bei den Nibelungen-Festspielen 2014 zu sehen.
Die Schauspielerin Dominique Voland (Bild) war zwölf Jahre die andere Frau im Leben des berühmten Regisseurs und bekam ein Kind mit. In einem Interview mit der 'Bunten' im Jahr 2020 bezeichnete sie ihren Ex-Partner als "Narzisst, Despot und Choleriker". Sie trennte sich, nachdem ihr Sohn nicht mehr mit seinem Vater zusammenleben wollte und einen Nervenzusammenbruch hatte.
Laut einem Bericht der 'Welt' sagte Produzenten Nico Hofmann (im Bild) einmal über Wedel: "Er hat klare Visionen von seinen Figuren, hat ein unglaubliches Rhythmusgefühl, arbeitet mit großer Sorgfalt und ist ein Perfektionist."
Laut einem Bericht des Radionetzwerks 'BR24' war Wedel für seine ruppige Art am Set bekannt. Er beschrieb sich selbst als Dompteur, der seine Schauspieler (die Raubtiere) in Schach halten musste, um konzentriert und erfolgreich zu arbeiten. Laut Recherchen von Christoph Amend hatte Wedel bei Dreharbeiten eine "offenbar nahezu biblische Machtfülle."
Nach Informationen der 'Bild' starb der Regisseur an Leukämie in einer Klinik in Hamburg-Eppendorf. Im Gegensatz zur Öffentlichkeit, war sein Bekanntenkreis über Wedels Gesundheitszustand informiert. Die Schauspielerin und Dschungelcamp-Kandidatin Anouschka Renzi (im Bild) sagte der Zeitung: "Die Nachricht von seinem Tod macht mich traurig, aber sie kommt nicht überraschend für mich. Ich wusste, dass er krank war."
Auch die Anwälte von Dieter Wedel meldeten sich zu Wort und kritisierten die Berichterstattung zum Missbrauchsskandal: "Das Verfahren gegen unseren Mandanten wurde medial zum angeblichen «Musterverfahren» einer gesellschaftlichen Bewegung aufgebauscht."
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