Heidi Klums "GNTM"-Model-Hölle: Depressionen, Hass im Netz und Suizidgedanken
Für die jungen Frauen, die bei "Germany's Next Top Model" (GNTM) mitmachen, erfüllt sich vermeintlich der große Traum: eine Modelkarriere wie die von Vorbild und GNTM-Aushängeschild Heidi Klum. Die Realität sieht jedoch meistens anders aus... GNTM-Teilnehmerinnen berichten von Depressionen, Suizidgedanken und Hass im Netz - und machen Heidi Klum schwere Vorwürfe...
Seit dem Jahr 2006, also seit über 15 Jahren, existiert die Castingshow um Heidi Klum und die Suche nach dem deutschen Nachwuchs-Topmodel mit nun bereits 18 Folgen und begeistert immer über einer Millionen Zuschauer.
Das Konzept ist einfach: In vielen großen Städten finden Castings statt, bei denen die GNTM-Teilnehmerinnen ausgewählt werden. Diese müssen in der Show verschiedene Fotoshootings und Aufgaben absolvieren und für die Dauer der dreimonatigen Dreharbeiten zusammen in der Model-Villa wohnen.
In jeder Sendung müssen Teilnehmerinnen gehen, was Heidi Klum mit dem bekannten Satz "Ich habe heute leider kein Foto für dich" verkündet. Am Staffelende kommt es zum großen Finale, bei der die Gewinnerin gekürt wird.
Während zu Beginn der Sendung einheitliche Auswahlkriterien für die Teilnehmerinnen angesetzt wurden, setzt der Sender ProSieben nun auf Diversität. Es gibt keine Mindestgröße mehr und auch kurvige und ältere Frauen nehmen vereinzelt an der Show teil. In der letzten Folge gewann Curvy Model Vivien Blotzki (Foto re.)
Bereits seit Beginn der Sendung gibt es Kritik. Bei der Gestaltung der Aufgaben und Fotoshootings, den sogenannten Challenges, soll demnach nicht die Tauglichkeit der Frauen als Models überprüft, sondern lediglich eine gute Show für die Zuschauer geliefert werden.
Der Fokus auf die Einschaltquote wird auch darin deutlich, dass Streitigkeiten zwischen den Teilnehmerinnen sowie Befindlichkeiten der einzelnen Frauen in den Fokus gestellt werden.
Armin Morbach, Hairstylist und ehemaliger Juror bei GNTM, sagte nach seinem Ausscheiden über die Sendung: „Ich war felsenfest davon überzeugt, wir suchen ein Topmodel. Aber darum geht’s gar nicht. Es geht überhaupt nicht um die Gewinnerin, es geht einfach um die Sendung. Denn danach interessiert die Gewinnerin eh keinen mehr.“
Die Teilnehmerinnen selbst haben jedoch zum Teil noch jahrelang mit den psychischen Folgen ihres Mitwirkens bei GNTM zu kämpfen, wie eine Dokumentation nun zeigt...
Im Rahmen einer auf YouTube veröffentlichten Dokumentation des Formats "STRG_F" von funk und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) wurden 50 ehemalige GNTM-Teilnehmerinnen interviewt. Die Berichte der Frauen sind schockierend - von Depressionen, Hetze im Netz und Selbstmordgedanken ist die Rede.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Die Frauen berichten, dass sie während der dreimonatigen Dreharbeiten fast nie alleine sind, die Model-Villa nicht verlassen und keine Handys und kein Internet nutzen dürfen.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Während ProSieben auf Nachfrage vom NDR die Fürsorgepflicht als Begründung für diese Maßnahmen heranzieht, sagt Modelagent und Ex-Juror Peyman Amin, dass Konflikte zwischen den Teilnehmerinnen für die gewünschte Einschaltquote sorgen.
Und diese Konflikte würden automatisch durch die eingerichteten Maßnahmen entstehen: "Wie kann man Zickenkrieg kreieren? Indem man die Tür abschließt und sagt: ,Okay, Mädels! Hühnerhaufen! Jetzt geht es los, fetzt euch!‘ Und wann fetzen sie sich am meisten? Natürlich wenn die Tür zubleibt."
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Ex-GNTM-Teilnehmerin Simone Kowalski sagt in der Doku wie schwer ihr der Umgang mit den Einschränkungen gefallen sei, denn die Teilnehmerinnen durften die Villa nicht verlassen, nicht einmal zum Joggen. Mental, körperlich und sozial sei die Situation für sie sehr belastend gewesen.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Auch weitere Teilnehmerinnen führen die psychischen Auswirkungen der Dreharbeiten an. Best Ager Model Lieselotte Reznicek (67) sagt, dass sie sich während der Dreharbeiten sehr einsam gefühlt habe und extrem empfindlich geworden sei.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Auch gibt es Vorwürfe gegen den Sender ProSieben, dass dieser Situationen anders zusammengeschnitten habe und die Kandidatinnen von Redakteuren manipuliert worden seien.
Die ehemalige GNTM-Teilnehmerin Tessa Bergmeier sagt in der Doku, dass die Redakteure unter den Teilnehmerinnen falsche Informationen und Gerüchte verteilt hätten, um Streit zu säen.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Simone Kowalski kritisiert die Sendung, obwohl sie eine Staffel gewann. Sie gibt an, dass es in der Show darum gegangen sei, ihre Schwächen herauszustellen, anstatt um ihren Schutz.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Besonders schlimm waren die psychischen Folgen der GNTM-Teilnahme für Lijana Kaggwa, die 2020 an der Show teilnahm. Ihr wurde extremer Hass im Netz entgegengebracht, der sogar in Vergewaltigungs- und Morddrohungen mündete.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Kaggwa wurde auch direkt verbal und körperlich angegriffen, wie sie selbst in der Doku sagt. So sei sie unter anderem angespuckt und beleidigt worden. Eine Vergewaltigungsdrohung führte sogar dazu, dass sie zeitweise unter Polizeischutz gestellt wurde.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Kaggwa verließ die Sendung freiwillig und kämpfte mit Depressionen und Suizidgedanken. Auch Tessa Bergmeier erlitt in Folge ihrer GNTM-Teilnahme eine schwere Depression mit Amnesie. In der Doku sagt sie: "Ich wollte nicht mehr ich sein, habe mich komplett selber angezweifelt und gesagt: Alles, was ich jemals war, ist nicht okay."
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Zwar hat Heidi Klum sich am Anfang der letzten Staffel 2023 in einem Statement gegen Hass im Netz ausgesprochen, Kaggwa hätte sich jedoch ein direkteres Eingreifen und mehr persönliches Engagement von Klum gewünscht: "Ich hätte mir gewünscht, dass sie laut wird, dass sie ihre Stimme erhebt!"
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Was stattdessen auf Kaggwas Vorwürfe folgte, war eine Unterlassungsklage von der GNTM-Produktion und dem Sender ProSieben. In dem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren wurde Kaggwa in zwei von fünf Punkten Recht zugesprochen. Aktuell läuft ein zweites Gerichtsverfahren.
Foto: Screenshot YouTube, @STRG_F
Es scheint, dass den Verantwortlichen nicht sonderlich viel an der psychischen Gesundheit der Teilnehmerinnen gelegen ist. Am Ende nutzt GNTM wohl vor allem denjenigen, die mit der Einschaltquote Geld verdienen sowie "Model-Mama" Heidi Klum, die GNTM vor allem als große Bühne für sich selber nutzt...